SARA GROSS - Ironman champion, PhD in Women's History.
Als ich heute morgen aufgewacht bin, habe ich zu meinem Handy gegriffen, so wie ich es morgens meistens tue, um sicher zu sein, dass es nichts Dringendes gibt, auf das ich reagieren müsste und um zu sehen, was auf der Welt so passiert ist, bevor ich aufstehe um mir einen Kaffee zu machen.
Wir sind jetzt noch drei Wochen von den Olympischen Spielen 2021 entfernt, der verschobenen Version der 2020er Spiele. Unsere Welt kommt gerade aus einer globalen Pandemie, in der es einigen Ländern und Bevölkerungsgruppen eindeutig besser ging als anderen, in der sich die Grenzen zwischen arm und reich weiter verfestigt haben, oder vielleicht einfach nur sichtbarer geworden sind. Länder mit einer ärmeren Bevölkerung hatten am meisten zu kämpfen, und in den USA verloren Frauen und People of Color die meisten Arbeitsplätze und trugen den Löwenanteil der finanziellen Belastungen.
Heute Morgen ist mein Social-Media-Feed voll von Diskussionen über Sha’Carri Richardson, die US-Sprinterin, die in der Olympiaqualifikation die Konkurrenz deklassierte, nur um kurze Zeit später positiv auf Marihuana getestet zu werden, von der Entscheidung des Internationalen Schwimmverbands (FINA) keine Badekappen für Afrohaare zuzulassen und davon, dass Athletinnen aus Afrika wegen ihrer natürlich hohen Testosteronwerte keine Starterlaubnis bekommen. Ganz zu schweigen von der hitzigen Debatte darüber, wie wir eine „Frau“ im Rahmen des Spitzensports definieren … und die Liste geht weiter.
Und jetzt sitze ich da, starre auf das leere Dokument auf meinem Monitor und habe die Aufgabe, einen Blogbeitrag über „Einheit im Sport“ zu schreiben – und kann nicht anders, als das Thema zu hinterfragen. Bringt uns der Sport wirklich zusammen? Oder sind unsere geliebten Spiele nur ein weiteres Mittel, um soziale Klassen weiter zu spalten, rassistische und sexistische Entscheidungen zu rechtfertigen, nur um eine*n „Sieger*in“ küren zu können?
WENN WIR SCHON IM SPORT NICHT ZUSAMMENFINDEN – WO DENN DANN?
Jetzt wo die Triathlon-Veranstaltungen wieder anlaufen und wir uns zurück in eine Welt der physischen „Einheit“ bewegen, ist es verlockend zu sagen: „Ja, Sport bringt uns zusammen und schafft Einigkeit“, aber wenn diese Einheit auf Kosten von schwarzen Athlet*innen oder Trans-Frauen oder Frauen mit einem natürlichen Hormon-Überschuss geschaffen wird, haben wir dann wirklich Einheit oder schauen wir einfach nur weg?
Ich möchte hier etwas klarstellen – es ist wirklich wichtig, dass der Sport weiterhin eine positive Triebfeder ist, die Menschen zusammenbringt und uns miteinander verbindet. Ich sage euch auch, warum:
Wenn wir zu keiner Einheit finden, während wir einfache Dinge tun, wie einen Ball über ein Feld zu kicken oder zu rennen, um zu sehen, wer der*die Schnellste ist, welche Hoffnung gibt es dann, uns in wichtigen Dingen einig zu werden, wie verarmten Bevölkerungsgruppen zu helfen, unsere Ozeane zu säubern oder mit dem Klimawandel umzugehen?
Wenigstens beim Sport sollten wir es auf die Reihe bekommen.
Wenn Sport ein Mikrokosmos der Gesellschaft ist (was ich glaube), dann müssen wir wirklich zusehen, dass wir zusammenfinden, wenn es um relativ Unwichtiges geht (z. B. wer den Ball am besten geschossen hat), damit wir, wenn es um Wichtiges geht (z. B. wie stellen wir sicher, dass jeder heute zu essen bekommt?), auch fähig sind, mit wichtigen Entscheidungen umzugehen.
MEIN ERBE ALS FRAU IM TRIATHLON
Als jemand, der von einer Sporttradition profitiert hat, die auf die Gleichstellung der Geschlechter ausgerichtet ist, kann ich aus erster Hand berichten, welchen Unterschied es für mich und viele Frauen auf der ganzen Welt gemacht hat, dass das Erbe des Triathlonsports eines der Gleichberechtigung ist.
Wie ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, wurde Triathlon in einer Zeit geboren, in der die Gleichberechtigung ein zentrales Mandat des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) war und eine strategische Anstrengung unternommen wurde, um Frauen-Elite-Triathlon zu einer olympischen Sportart zu entwickeln.
1989 störten die Profi-Frauen und -Männer gemeinsam die erste Sitzung der damals noch jungen Internationalen Triathlon Union (ITU) in Frankreich, um gleiche Preisgelder zu fordern. Zwischen dem IOC-Mandat und diesem sinnbildlichen „Sturm auf die Bastille“ wurde in unserem Sport ein Präzedenzfall geschaffen, von dem wir seitdem nur selten abgewichen sind.
Einheit bedeutet per Definition „der Zustand, als Ganzes vereint oder verbunden zu sein“, und ich habe mich im Triathlon definitiv als Ganzes zugehörig gefühlt, aufgrund dieses Erbes der Geschlechtergleichberechtigung.
EIN BEITRAG ZUR SPORTLICHEN EINHEIT
Jetzt, wo auf der ganzen Welt wieder die Wettkämpfe losgehen und wir mit „unseren Leuten“ zusammenkommen, unsere Körper feiern, während wir mit gemeinsamen Vorstellungen von Gesundheit und Fitness gegeneinander antreten, um fitter und schneller als unser früheres Selbst zu werden, möchte ich unsere Gemeinschaft auch gerne dazu anregen, sich umzuschauen und zu fragen: „Wer ist Teil unserer Einheit und wen lassen wir zurück?“
Ein wunderbar pragmatischer Weg, um Einheit auf achtsame Weise zu schaffen, ist, sich selbst zu fragen, wo man Einfluss hat und wie die Entscheidungen, die man selbst trifft, andere beeinflussen. Wenn man diese „Machtpunkte“ identifiziert hat, sollte man Entscheidungen, die man trifft, aus so vielen Gesichtspunkten wie möglich betrachten. Man sollte auch andere fragen, wie sich die eigene Entscheidung auf sie auswirken könnte. Ich würde wetten, dass derjenige, der letzte Woche bei der FINA die Entscheidungen getroffen hat, keine natürlichen Afrohaare mitbedacht hat. Und diese „Wissenschaft“ die darüber entscheidet, wie wir Frausein im Leistungssport definieren, hat einige erhebliche blinde Flecken in ihrer Methodik.
Wenn wir uns alle dazu verpflichten, unseren Horizont und unser Denken zu erweitern – ja, dann kann der Sport weiterhin eine verbindende Kraft sein, heute und bis weit in die Zukunft hinein.
ÜBER SARA GROSS
Sara Gross ist zweifache Ironman-Siegerin und schrieb ihre Doktorarbeit über die Geschichte der Frauen. 2017 gründete sie Feisty Media, „einen Zufluchtsort für kompromisslos fitte und mutige Frauen“, um frische und kraftvolle Stimmen im Triathlon und darüber hinaus zu feiern. Sara lebt in Victoria, British Columbia, mit ihrer Tochter Rosalee.
ÜBER FEISTY MEDIA
Feisty Media ist ein progressives Medienunternehmen, das sich an „kompromisslos fitte und mutige Frauen“ richtet. Gegründet im Jahr 2017 von Ironman-Siegerin Sara Gross, PhD, ist Feisty nun die Heimat von 8 Podcasts, einschließlich des IronWomen-Podcasts, Girls Gone Gravel und Hit Play Not Pause. Feisty bildet und unterhält die Massen täglich auf Insta und TikTok und veranstaltet mehrere Events wie den Women's Performance Summit und Feisty Menopause Summit.