Von Sara Gross
Gestern Abend habe ich einen schrecklichen Film auf Netflix geschaut. Es ging um Elton John, sein Leben, sein außergewöhnliches Talent, seine Drogenprobleme und um die Suche nach Liebe. Der Film strotzte nur so vor kitschigen Musical-Einlagen und mieser Schauspielerei – eine schlimme Kombo, meiner Meinung nach – und trotzdem hat mich das Thema Elton und sein Leben gefesselt.
Ich war deswegen so gefesselt, da dieses Thema zum Kern dessen vordringt, was uns als Menschen ausmacht. Wenn wir es schaffen herauszufinden, welches unsere Talente sind und wie wir am besten zur Welt um uns herum beitragen können, wenn wir lernen, zu lieben und geliebt zu werden, wird es uns wahrscheinlich gelingen ein reiches und sinnerfülltes Leben zu führen.
Was das nun mit Zielsetzung zu tun hat?
In den letzten Jahren haben sich meine Prioritäten und damit auch meine Ziele enorm verschoben. Vor fünf Jahren war ich eine professionelle Ironman-Athletin, und jetzt bin ich eine Gründerin und Firmenchefin, die lernt, wie man ein Unternehmen aufbaut und ein positives Umfeld für mehr als zehn Mitarbeitende schafft.
Auch die Welt um uns herum hat sich gewandelt. Wie wir unsere Arbeit, unser Privatleben, das Reisen und das Internet erleben, hat sich in vielerlei Hinsicht verändert.
Bevor wir also unsere sportlichen Ziele für 2022 festlegen, ist es wichtig zu kapieren, wie diese Ziele in das Gesamtbild unseres Lebens passen. Wenn wir das herausfinden, werden sich die Details von selbst ergeben.
Heißen wir nicht gerade Daniela Ryf oder Jan Frodeno, dann ist der Sport für viele von uns kein Ausdruck reinen Talents und auch nicht der Bereich, in dem wir den größten Einfluss auf die Welt ausüben. Unser Job, unsere Elternschaft oder unsere ehrenamtliche Arbeit sind die Schwerpunkte unseres Tuns.
Sport ist auch nichts, was wir machen, um Liebe zu geben und zu empfangen. Vielleicht glauben wir, dass wir unsere Fahrräder oder Laufschuhe lieben. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses Gefühl eher von kurzer Dauer ist – und wenn nicht – dann kann dir dieser Blog auch nicht helfen.
Auf der anderen Seite ist es manchmal allzu leicht zu denken, dass es sinnlos ist, als Erwachsene sportliche Ziele zu verfolgen, und tatsächlich gibt es immer die kritischen Stimmen um uns herum, die sagen: „Triathlon?!?!? WARUM sollte irgendjemand DAS machen?“
Und ganz ehrlich, warum sollte jemand das machen? Wo doch die meisten von uns nicht so talentiert sind wie Daniela und weder unsere Fahrräder noch unsere Neoprenanzüge uns zurücklieben können. Wozu dann das Ganze?
Zwar habe ich darauf nur für mich selbst eine Antwort – aber hier ist sie.
Als ehemalige Triathletin, die zur Crossfitterin wurde, spielt der Sport eine tragende Rolle bei allem was ich tue. Er ermöglicht es mir, meine anderen Fähigkeiten voll auszuschöpfen, weil er mich stark macht und geistig fit hält. Er bietet mir ein gesundes Ventil für meine emotionalen Höhen und Tiefen, einen Ort, an dem ich Frustrationen loslassen, die Traurigkeit vergessen und Ängste überwinden kann. Sport hilft mir dabei meinen inneren Kompass auszurichten und mich gut zu fühlen, damit ich mich in den Beziehungen, die mir am meisten bedeuten, von meiner besten Seite zeigen kann. Und nicht zuletzt hilft mir der Sport, mich in eine Gemeinschaft von Menschen einzuklinken, mit denen ich über nichts anderes nachdenken muss als darüber, wie wir unsere beste körperliche Leistung erbringen.
Im Netflix-Film über mein Leben spielt das körperliche Training eine wichtige Nebenrolle, die es mir ermöglicht, das zu tun, was mir am wichtigsten ist: mein Unternehmen aufzubauen und die bestmögliche Mutter und Partnerin zu sein. Meine sportlichen Ziele müssen mit dieser Realität im Einklang stehen.
Was heißt es also, sich sportliche Ziele zu setzen, wenn der Sport nicht das Hauptaugenmerk ist?
Für mein Leben hat das Training heute eine vollkommen andere Bedeutung, als zu der Zeit, als ich noch als Vollzeit-Leistungssportlerin für den Ironman trainierte. Jetzt bin ich nur noch bereit, mir Zeit für eine oder zwei Stunden Sport am Tag zu nehmen. Es hat lange gedauert, bis ich das akzeptiert und meine veränderten Prioritäten angenommen habe.
Da ich nur eine Stunde zur Verfügung habe, ist mir klargeworden, was ich tun muss, um den größten Trainingsnutzen zu erzielen. Als ehemalige Ironman-Athletin habe ich zum Beispiel eine solide aerobe Basis, bin aber nicht besonders stark, also stemme ich Gewichte. Als alternde Sportlerin brauche ich das HIIT-Training, um meinen Hormonhaushalt auszugleichen. Und als jemand, der die Natur liebt, muss ich hin und wieder einen schönen Trail abreißen.
Meine sportlichen Ziele für 2022 sehen demnach in etwa folgendermaßen aus:
● regelmäßig zum Training erscheinen
● jeden Tag eine Stunde damit verbringen, das Beste aus dem Training zu machen
● mindestens viermal pro Woche draußen aktiv sein
● beim Training in Balance und im Hier und Jetzt bleiben
● meinen Trainingspartner*innen helfen, das Maximum aus sich herauszuholen
Diese Ziele sehen ganz anders aus als die Ziele aus meiner Zeit als Spitzensportlerin, in etwa so lauteten:
● einen Ironman gewinnen
● beim Ironman unter 9 Stunden bleiben
● Top-10-Platzierung bei den Ironman-Weltmeisterschaften
Meine sportlichen Zielvorgaben sind jetzt nicht mehr so spezifisch wie früher, aber sie sind das, was ich brauche, um meine beruflichen und persönlichen Ambitionen zu erreichen. Bei vielen von uns haben sich die Prioritäten in den letzten Jahren verschoben, und die größte Herausforderung besteht darin, diese Tatsache zu akzeptieren und sich auf sie einzulassen.
Das Training ist für mich zu einer Abschussrampe geworden, von der aus ich mich mit Zuversicht zu meinen anderen Zielen und Prioritäten katapultieren kann, denn unten auf der Erde werde ich immer eine Stunde Zeit haben, um Sport zu machen, draußen zu sein, Gewichte zu stemmen, zu springen und zu tanzen.
Bevor wir uns also sportliche Ziele für 2022 setzen, möchte ich alle dazu ermutigen, sich einen Moment Zeit zu nehmen, um herauszufinden, wo die eigenen Prioritäten in dieser neuen und sich verändernden Welt liegen. Wenn diese Schlussfolgerung eine unwillkommene musikalische Einlage in einem schlechten Film wäre, würde sie so lauten:
„ … Und ich glaube, es wird lange, lange dauern
Bis ich wieder zurück bin und lande, nur um festzustellen,
dass ich bin nicht der Mann/ die Frau bin, für den*die man mich zu Hause hält,
... Ich bin ein*e Rocket Wo/Man..."
ÜBER SARA GROSS
Sara Gross ist zweifache Ironman-Siegerin und promovierte in Frauengeschichte. 2017 gründete sie Feisty Media, „einen Zufluchtsort für kompromisslos fitte und mutige Frauen“, um frische und kraftvolle Stimmen im Triathlon und darüber hinaus zu feiern. Sara lebt in Victoria, British Columbia, mit ihrer Tochter Rosalee.
ÜBER FEISTY MEDIA
Feisty Media ist ein progressives Medienunternehmen, das sich an „kompromisslos fitte und mutige Frauen“ richtet. Gegründet im Jahr 2017 von Ironman-Siegerin Sara Gross, PhD, ist Feisty nun die Heimat von 8 Podcasts, einschließlich des IronWomen-Podcasts, Girls Gone Gravel und Hit Play Not Pause. Feisty bildet und unterhält die Massen täglich auf Insta und TikTok und veranstaltet mehrere Events wie den Women's Performance Summit und Feisty Menopause Summit.